Mit diesen 5 Tipps gelingen dir ausdrucksstarke Outdoor-Portraitfotos
Gute Portraitsfotos entfalten ihre volle Wirkung dann, wenn sie die Einzigartigkeit der portraitierten Person spiegeln. Gleichzeitig spielt der Ort, an dem Portraitfotos entstehen, eine wesentliche Rolle für die Bildsprache und die Ausdruckskraft, denn er ergänzt das Portrait erzählerisch. Die Location gibt der portraitierten Person einen ästhetischen und persönlichen Rahmen. Deshalb fotografiere ich Portraits am liebsten draußen.
Unser tägliches Leben wird von visuellen Eindrücken geprägt, meist ohne, dass wir das mitkriegen. Viele der visuellen Signale sind so subtil, dass nur unser Unterbewusstsein sie registriert. Diese Tatsache können wir bewusst einsetzen, um ausdrucksstarke Bilder zu machen, besonders dann, wenn wir Menschen fotografieren. Doch wie können wir die Aufmerksamkeit des Betrachters lenken und mit welchen Mitteln einen bleibenden Eindruck hinterlassen? Hol‘ dir in diesem Artikel 5 Fotografie-Ideen, die deine Portraitfotos auf ein neues Level heben.
Portraitfotos entfalten auch in Schwarz-Weiss nach wie vor eine große Wirkung, da sie effektiv mit den Kontrasten spielen und eine spezielle Stimmung hervorrufen können. Auf diesem Bild wird das noch verstärkt durch die Kleidung und das Make-up des Models.
1. Die richtige Location für Outdoor-Portraitfotos
Der Ort, an dem Portraitfotos entstehen, spielt eine wesentliche Rolle für die Bildsprache und die Ausdruckskraft. Ich persönlich fotografiere Portraits am liebsten draußen. Das gibt mir sehr viele Möglichkeiten, das Bild kreativ zu gestalten und der Person auf dem Bild einen ganz individuellen Rahmen zu verleihen.
Von großem Vorteil ist es, die Location vorab mit dem Model abzusprechen. Denn nur, wenn das Model sich wohl fühlt und ihr auf einer ähnlichen Wellenlänge seid, können wirklich gute Fotos entstehen. Sprich mit deinem Model vor dem Shooting darüber, was für Fotos sie oder er sich vorstellt. Es kann auch helfen, wenn das Model dir Bilder von Portraitfotos zeigt, die ihr oder ihm selbst besonders gut gefallen, oder wenn du erfragst, ob es Orte gibt, an denen sie oder er sich gerne aufhält oder die sie positiv assoziieren.
Beispiele für interessante Locations gibt es unzählige: alte Fabrikgelände, kleine Brücken, Metallgeländer, Treppen, interessant geformte Gebäude, Flussufer, Parks. Achte bei der Wahl der Location darauf, wie das Licht fällt, und probiere viele verschiedene Winkel und Perspektiven aus. So erkundest du dein Setting nach und nach und entdeckst vielleicht eine Bildkomposition, die du auf den ersten Blick noch gar nicht gesehen hattest. Apropos Bildkomposition:
2. Portraitfotos leben von einer spannenden Bildkomposition
Die Bildkomposition ist für gute Portraitfotos maßgeblich. Gestalte deinen Bildaufbau so, dass die Persönlichkeitsmerkmale deines Models hervorgehoben werden. Die einzelnen Details des Motivs und anderer Elemente im Bild verbinden sich im besten Fall zu einer eingängigen Gesamtkomposition.
Der bewusste Umgang mit Bildausschnitt, Kontrasten von Farben und Licht sowie mit der Schärfeverteilung sorgt dafür, dass dir eine spannende Bildgestaltung gelingt: Das Hauptmotiv erscheint als wesentliches Element im Bild und rückt entsprechend in den Vordergrund. Entscheide, was Hauptelement in deinem Bild ist und welche Nebenelemente den Bildinhalt unterstützen sollen. Soll dein Model einen Gegenstand in der Hand halten? Lehnt es sich an eine Hauswand, sitzt auf einem zerschlissenen Sofa oder raucht eine Zigarette? All das sind gestalterische Mittel, mit denen es dir gelingen kann, mit deinem Bild eine persönliche Geschichte zu erzählen und deinem Model Charakter zu verleihen. Welche Bedeutung du den Nebenelementen im Bild zuordnest, entscheidet darüber, wie dein Bildaufbau ist: Vordergrund, Hintergrund, Rahmen, Kontraste und Bildaufteilung.
Portraitfotos müssen nicht gestellt sein. Wenn du authentische Portraits fotografieren möchtest, kannst du das auch erreichen, indem du dein Model dabei „einfängst“, wie es das tut, was es immer oder besonders gerne tut.
Eine durchdachte Linienführung unterstützt deine Bildsprache
Auch die Linienführung ist entscheidend für eine interessante Bildkomposition bei Portraitfotos. Du hast vielleicht schon einmal von der Drittelregel gehört? Die Drittelregel leitet sich aus der Proportionslehre und dem Goldenen Schnitt ab. Sie teilt dein Bild mithilfe von zwei horizontalen und zwei vertikalen Linien in beiden Dimensionen jeweils in drei gleichgroße Bereiche. Die Schnittpunkte dieser Linien bilden Punkte, die für das menschliche Auge besonders eingängig sind. Wenn du das Motiv an einem der vier Schnittpunkte oder entlang einer dieser gedachten Linien platzierst, gestaltest du dein Foto bewusst so, dass es beim Betrachten eine besondere Wirkung entfalten kann.
Wenn du dein Model beispielsweise an einer der beiden vertikalen Linien positionierst anstatt in der Mitte, achte darauf, dass dein Model ins Bild „hineinschaut“ – das heißt, in den „negativen“ Bildraum im übrigen Bildausschnitt und nicht in die Richtung, in der das Bild zuende ist.
Doch Regeln hin oder her: Die Bildkomposition ist das A und O in der Portraitfotografie. Indem du deine Bilder bewusst gestaltest, verleihst du ihnen Persönlichkeit, Ausdrucksstärke und Kraft. Portraitfotografie-Tipps: Wie du mit Elementen und Linienführung experimentieren kannst und worauf du achten solltest, findest du in diesem Artikel.
3. Kleine psychologische Tricks, die dem Model helfen
Eines sollten Portraitfotos unbedingt sein: authentisch. Wie gelingt es dir, dein Model zu entspannen und für das „Posen“ regelrecht zu begeistern, selbst wenn er oder sie zum Beispiel wenig oder gar keine Erfahrung hat? Manche Models fühlen sich sehr unwohl vor der Kamera oder „hassen“ das Fotografiertwerden sogar, was bei mir tatsächlich schon vorkam.
Aus eigener Erfahrung empfehle ich dir, dich mit deinem Model vor einem Shooting erst einmal locker zu unterhalten. Die Themen sind dabei egal, es geht nur darum, dass ihr euch etwas besser kennenlernt und das Model Vertrauen zu dir fassen kann. Das kann ein Telefonat sein oder auch ein ungezwungener Austausch bei einer Tasse Kaffee. Frage die Person nach ihren Vorstellungen und Erfahrungen mit früheren Shootings. Lass sie von sich erzählen und erlaube ihr, dir konkrete Fragen zum Shooting zu stellen. Auf diese Weise kann eine vertrauliche Ebene zwischen euch entstehen und ihr findet heraus, ob ihr „auf einer Wellenlänge“ seid. Mehr dazu, wie du mit deinem Model kommunizierst, findest du in diesem gut geschriebenen Artikel des Fotografen Markus Thoma.
4. Erstelle kontinuierlich Mood-Boards
Was mir bei der Vorbereitung meiner Shootings enorm hilft, sind Mood-Boards mit Portraitfotos. Zum einen geben sie mir Impulse bei der Ideenfindung für mögliche Posen und Lichtstimmungen. Zum anderen inspirieren sie mich und erzeugen vorab in meinem Kopf schon eine konkrete Vorstellung des Shootings.
Ich habe meine Mood-Boards auf meinem Handy immer griffbereit – egal ob beim ersten Gespräch mit dem potentiellen Model oder beim Shootings selbst. Mood-Boards unterstützen den Planungsprozess und helfen der Inspiration auf die Sprünge.
Mood-Boards können außerdem als eine Art Back-up herhalten, falls bei einem Shooting mal geplante Posen nicht so wirken, wie du es dir vorgestellt hattest oder du spontan etwas Neues ausprobieren möchtest.
Involviere auch dein Model in deine Mood-Boards. Sowohl vor einem geplanten Shooting oder sogar noch früher, wenn es darum geht, ob dein Model und du euch ein gemeinsames Shooting vorstellen könnt, als auch während des Shootings kann es wichtige Brücken bauen. So lernst du beispielsweise sehr schnell kennen, welche Posen deinem Model am ehesten entsprechen und kannst dies in deine Planung einbeziehen. Ebenso kannst du andere Posen direkt ausschließen.
Meine Mood-Boards erstelle ich mithilfe von Screenshots auf meinem Handy, damit ich sie immer dabei habe. Inspirieren lasse ich mich größtenteils von Schauspieler:innen-Portraits, da ich hier eine große Bandbreite an Posen und Mimiken sowie Ideen für Hintergründe und Ausleuchtung finde.
5. Fotografiere in der Goldenen Stunde
Die Goldene Stunde bietet spektakuläre Lichtverhältnisse. Als Goldene Stunde wird die Tageszeit in den frühen Morgenstunden kurz nach dem Sonnenaufgang oder am Abend kurz vor Sonnenuntergang bezeichnet. Sie erzeugt ein weiches und warmes Licht. Dieses Licht eignet sich optimal für Portraitfotos mit Available Light, denn es ist nicht mehr oder noch nicht zu dunkel und die tiefstehende Sonne blendet das Model nicht. Gleichzeitig können dir im Gegenlicht tolle Portraitfotos gelingen – dieses verleiht dem Model eine einzigartige Aura und verhindert, dass das Licht direkt ins Gesicht fällt. Hier solltest du gegebenfalls zusätzlich mit einem Reflektor arbeiten, falls das Gesicht zu sehr im Schatten ist.
Fazit: Wie so oft geht Probieren über Studieren
Nichts muss, alles kann – das gilt für Outdoor-Portraitfotos umso mehr, als dass du hier dem Wohl und Wehe des Wetters, der nicht steuerbaren Lichtsituation und der Jahreszeiten ausgesetzt bist. Aber was dich vermeintlich einschränkt, bietet gleichzeitig einen großen Gestaltungsspielraum. Indem du dein Model an verschiedenen Wänden, Geländern, Mauern und so weiter positionierst, das Sonnenlicht mal von hinten, mal von vorne leuchten lässt und Vorder- und Hintergründe variierst und hier bewusst die Tiefenschärfe zum Einsatz kommen lässt, kannst du Menschen abwechslungsreich und ausdrucksstark in Szene setzen.
Lass dich nicht nur von deinem Kopf und der Planung leiten, die du im Vorfeld gemacht hast. Lass immer etwas Raum für Spontaneität und Intuition und vor allem für die Stimmung des Menschen, den du fotografierst. Eine bestimmte Gestik oder Mimik kannst du nicht erzwingen, aber du kannst die Person inspirieren und ihre Vorstellungskraft nutzen. Sie ist keine Projektionsfläche, sondern voller Geschichten, Erinnerungen, Assoziationen und Gefühle. Das macht sie einzigartig. Gute Portraitfotos spiegeln diese Einzigartigkeit wider.
Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg bei deinem nächsten Portraitshooting!